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Ein Denkanstoß

„Hallo, netter Herr, sind Sie auch der Meinung, dass der Maui-Delfin nicht aussterben darf?“ Ich sage natürlich „Ja“ (denn wenn es ein Tier gibt, das nicht aussterben darf, ist es natürlich der Delfin) – und zack, bin ich im Gespräch mit einer netten jungen Dame von einer wichtigen und großen Tierschutzorganisation.

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Vorher hatte sie mich von Weitem angelächelt und wild gewunken. Und am Ende, bei der Präsentation der verschiedenen Delfin-Patenschaften, vergisst sie nicht darauf hinzuweisen, dass sich heute schon sieben liebe Menschen für die Premium-Patenschaft mit dem höchsten Förderbeitrag entschieden hätten. 

Wir alle kennen diese kleinen in dieser fiktiven Situation beschriebenen Tricks der Face-to-Face-Fundraiser*innen, um uns in ein Gespräch zu ziehen und schließlich einer – meist dauerhaften – Spende zuzustimmen. Aber funktioniert das auch im Online-Fundraising?

Die Antwort ist ja und ist – weil wir ja im Online-Fundraising sind – natürlich auf Englisch. Das Zauberwort heißt „Nudging“.

Nudging heißt „schubsen“, wurde von dem Verhaltensökonomen Richard Thaler entwickelt und meint, den Kunden – oder in unserem Fall den Spender bzw. die Spenderin – sanft und ohne Druck oder gar Zwang in eine bestimmte Richtung zu lenken oder eben: zu schubsen. Im Zweifel natürlich in unsere Richtung. Man könnte einen Nudge auch als Denkanstoß bezeichnen.

Das bekannteste Beispiel dafür, das Richard Thaler selbst aufführt, ist die aufgemalte Fliege im Pissoir, damit wir Männer genauer zielen und weniger daneben pinkeln. Wobei ich – das darf ich als Mann sagen – die Variante mit dem Fußballtor und dem Ball, den wir hinein bugsieren müssen, aus Freude am Spiel bevorzuge.

 

Nudging: Anstupsen statt Vorschreiben

 

Was ist mit Nudging nun im Online-Fundraising möglich?

Eine sehr erfolgreiche Variante des Anschubsens sind die Vor- oder Standardeinstellungen. Biete ich etwa in meinem Spendenformular drei unterschiedliche Spendenbeträge an, wähle aber den mittleren schon als Voreinstellung aus, dann darf ich sicher sein, dass die meisten Spender*innen sich für diesen Betrag entscheiden. Sie nehmen ihn als empfohlenen Richtwert und ändern ihn aus Bequemlichkeit nicht. Genauso kann ich in meinem Online-Spendenformular auch die Variante „Ich möchte eine Spendenbescheinigung“ vorauswählen, damit ich von möglichst vielen Online-Spender*innen auch ihre postalische Anschrift erhalte.

Ähnlich, aber etwas weniger stark schubsend, sind die sogenannten Anker. Man kann sie auch als subtile Empfehlungen bezeichnen. Beispiel: Wir alle arbeiten – in unseren Spendenbriefen genauso wie auf unserer Website – mit den berühmten Shopping-Listen, unseren in Euro konkretisierten Spendenbeispielen. Aber wie bekomme ich die Spender*innen dazu, sich nicht für die niedrigen, sondern für die höheren Beispiele zu entscheiden? Antwort: Indem ich sie ungleich attraktiver mache!

Ein gutes Beispiel hierfür liefert „Save the Children UK“. Auf ihrer Website konnte man sich eine Zeit lang zwischen vier Spendenbeispielen für eine monatliche Förderung entscheiden. Die günstigste Spende für 3 Euro versprach ein Moskitonetz pro Monat. Bei der zweithöchsten Spende aber (10 Euro im Monat) stand: „Mit 10 Euro retten Sie 50 kleine Babys vor einer lebensgefährlichen Durchfall-Erkrankung“. Na, welche Fördermitgliedschaft hätten Sie genommen?

Ein dritter, sehr einfacher Nudge ist die Erinnerung. Wir Menschen sind bequem und abgelenkt und müssen manchmal schlicht erinnert werden. Deshalb: Schicken Sie allen, die auf Ihre erste Spendenmail hin nicht gespendet haben, eine Erinnerungs-Email. Sie werden noch einmal 25 Prozent der bisher erzielten Spendensumme oben drauf bekommen.

Übrigens: Dass Sie meine Kolumne gelesen haben, verdanke ich wahrscheinlich auch einem Nudge. 3 Minuten Zeit hat schließlich jeder zwischendurch übrig. Es gibt noch sehr viele weitere Nudges. Aber ich muss Schluss machen. Meine App „Share the Meal“ meldet sich: Ich hätte heute noch kein Mittagessen für arme Kinder gespendet!

 

 

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Porträt Dr. Christian Gahrmann

Über den Kolumnisten

Dr. Christian Gahrmann ist Experte für strategisches Fundraising und passionierter Geschichtenerzähler. Nach Stationen als Fundraiser bei der Deutschen Diabetes Stiftung, Roland Berger Strategy Consultants und der China-EU School of Law arbeitet Christian Gahrmann seit 2012 als selbstständiger Fundraising-Berater (www.christian-gahrmann.de).

Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören unter anderem die erfolgreiche Gestaltung und Umsetzung von Fundraising in den sozialen Medien. Er ist Gründer der größten Fundraiser-Community (www.nachhaltiges-fundraising.de) und der größten Spender-Community (www.traumspender.de) auf Facebook.

 

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