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Eventueller Kurswechsel?
Wenn eine Mehrheit in der DSK die Meinung geändert haben sollte, dann wäre dies überraschend. Jedenfalls würde diese neue Ansicht nicht dem Willen des europäischen Gesetzgebers entsprechen. Es gab bei der Schaffung der DS-GVO den Vorschlag, ein Einwilligungserfordernis für Werbung insgesamt oder mit Ausnahme der Bestandskundenwerbung einzuführen. Beide Vorschläge konnten sich politisch aus guten Gründen nicht durchsetzen. Für die elektronische Werbung gibt es eine Beschränkung auf Bestandskundenwerbung, aber für Briefwerbung nicht.

Die DS-GVO erkennt ausdrücklich das berechtigte Interesse an der Verarbeitung zu Zwecken der Direktwerbung an. Unter Verarbeitung versteht die DS-GVO auch die „Offenlegung durch Übermittlung“. Die DS-GVO sieht ein besonderes Widerspruchsrecht gegen die Verarbeitung von Daten zu Zwecken der Direktwerbung vor. Die Rechtslage ist deshalb unserer Ansicht nach eindeutig. Wir werden hieran auch in der Neuauflage des Best Practice Guide zur DS-GVO festhalten, die im Laufe des Mai erscheint, s.u.

Der DDV ist damit nicht der Ansicht, dass jede Art von Adresshandel zulässig ist. Beispielsweise dürfen keine personenbezogenen Gesundheitsdaten als Selektionskriterien verwendet werden. Dafür bräuchte man eine Einwilligung. Im Grundsatz regelt die DS-GVO aber ein Opt-Out Modell mit hohen Transparenzanforderungen. Das halten wir unter Berücksichtigung der Interessen der Wirtschaft und des Datenschutzes auch für ausgewogen und empfehlen unseren Mitgliedern die Einhaltung der Informationspflichten in jedem Werbeschreiben, obwohl die DS-GVO eine einmalige Information für ausreichend halten würde.

Position der Rechtsprechung
Landgericht Stuttgart (Urteil vom 25. Februar 2022, Az. 17 O 807/21)
In diesem ersten sehr deutlichen Urteil wird unter Hinweis auf Erwägungsgrund 47 zur DS-GVO die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Adressdatenverarbeitung für postalische Werbung durch einen Adressdienstleister im Lettershop-Verfahren auf der Grundlage von Art. 6 Abs.1 Satz 1 lit. f) DS-GVO ausdrücklich bestätigt:
Auszug aus den Entscheidungsgründen:
„aa) Vorliegend kann die Beklagtenseite als datenschutzrechtlicher „Verantwortliche“ ihre Interessen und die ihres Kunden („eines Dritten“) - der Hannoverische Lebensversicherung AG - an der streitgegenständlichen Werbemaßnahmen als „berechtigte Interessen“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 S. 1 f) DS-GVO anführen. Es ist anerkannt und wird im Erwägungsgrund Nr. 47 zur Verordnung explizit benannt, dass auch wirtschaftliche Interessen, insbesondere das Vermitteln gewerblicher Informationen ein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift sein können (Kühling/Buchner/Buchner/Petri, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 6 Rn. 147; BeckOK DatenschutzR/Albers/Veit, 38. Ed. 1.11.2021, DS-GVO Art. 6 Rn. 68; Gola DS-GVO/Schulz, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 6 Rn. 57).

bb) Die Verarbeitung der persönlichen Daten des Klägers war vorliegend auch „erforderlich“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 S. 1 f) DS-GVO. Erforderlich ist eine Datenverarbeitung dann, wenn kein milderes, gleich effektives Mittel zur Verfügung steht, um die Interessen des Verantwortlichen zu erreichen (Kühling/Buchner/Buchner/Petri, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 6 Rn. 147a). Die Tatsachengrundlagen, die die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung stützen sollen, sind vom Verantwortlichen darzulegen (BeckOK DatenschutzR/Albers/Veit, 38. Ed. 1.11.2021, DS-GVO Art. 6 Rn. 69). Letzteres hat die Beklagte hier getan. Sie hat plausibel und vom Kläger unbestritten dargelegt, dass Werbebriefe wie der vorliegende ein notwendiges Mittel sind, um einerseits Bestandskunden zu pflegen, andererseits aber auch – wie hier – Neukunden zu gewinnen. Die postalische Werbung ist daher ein aus der Sicht der Beklagten und ihrer Kunden notwendiges Mittel, um überhaupt in Kontakt mit potentiellen (Dritt-) Kunden zu kommen. Dabei legt die Beklagte schlüssig dar, dass bereits die hohen Kosten von Briefwurfsendungen mit Werbung die Zahl solcher Werbemaßnahmen begrenze. Wie die Beklagte und ihre Kunden auf andere Weise ebenso wirksam mit möglichen Neukunden in Kontakt kommen können, legt der Kläger nicht dar, so dass die Datenverarbeitung auch als erforderlich im Sinne von Art. 6 Abs. 1 S. 1 f) DS-GVO anzusehen ist.

cc) Zuletzt führt auch die im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 f) DS-GVO vorzunehmende
Interessenabwägung dazu, dass die streitgegenständliche Verarbeitung der Adressdaten des
Klägers als rechtmäßig zu erachten ist. Dies gilt ungeachtet der zwischen den Parteien
streitigen Frage, ob bzw. wann die Anschrift des Klägers im Internet veröffentlicht war.“

Neuauflage des DDV Best Practice Guide DS-GVO
Die im Februar 2022 erschienene „Orientierungshilfe der Aufsichtsbehörden zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten für Zwecke der Direktwerbung unter Geltung der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)“ enthält den ausdrücklichen Hinweis: Diese Orientierungshilfe thematisiert nicht das Thema Adresshandel, da hierzu gesonderte Beratungen erfolgen werden.
Angesichts der mit dieser Ankündigung um das Thema Adresshandel sich weiter anbahnenden Diskussion wird der DDV in der im Laufe des Monats Mai erscheinenden Neuauflage des Guide im o.g. Sinne Stellung beziehen – daneben auch den weiteren seitens der Aufsichtsbehörden konkretisierten Details die aktuelle DDV-Position deutlich gegenüberstellen.

Deutscher Dialogmarketing Verband, DDV
Frankfurt, 5. Mai 2022

 

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