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GASTKOLUMNE von Dr. Christoph Müllerleile
Fundraising kann die Welt nicht verändern. Das müssen wir schon selbst tun
 
Dr. Christoph Müllerleile
Dr. Christoph Müllerleile
Von unseren amerikanischen Lehrmeistern wissen wir, dass alte Botschaften sich besser verkaufen, wenn sie neu verpackt werden. Aus Fundraising wird dann Donor Development, Cause Related Marketing, Social Relationship Marketing oder Friendraising. Die beiden Kai’s, Fischer und Kulschewski, treiben jetzt das Mission Based Fundraising durch die Gemeinde und haben dazu ein Weißbuch* veröffentlicht. Sie stellen fest, dass die guten alten Rezepte des Fundraisings ihre Kraft verloren hätten, was sich darin zeige, dass die Spenden oder zumindest die Zahl der Spender seit Jahren zurückgingen. Auch Weihnachtsaktionen seien immer weniger einträglich und Mailings nur noch ein Schatten ihrer selbst.
 
Als Ausweg bieten die Weißbuch-Experten mit einem gehörigen Schuss Eigenwerbung das Mission-Based Fundraising an, was nichts anderes bedeutet, als den guten Zweck in den Vordergrund zu stellen und mit Überzeugung und persönlicher Begeisterung um Förderer zu werben, am Besten gleich bei Freunden und vor der Haustür, ehe man in die Ferne schweift. Das bedeutet auch, Fundraising nicht Dritten zu überlassen, sondern es selbst zu machen.
 
Das predige ich schon lange, und im Wesentlichen ist es eigentlich auch allen seriösen Werken der Fundraising-Literatur zu entnehmen: Nicht die Technik zählt, sondern die persönliche Überzeugungsarbeit, die Nähe, die Ausstrahlung derer, die um Spenden, Sponsoring, Käufer, freiwillige Leistungen und Mittel aus öffentlicher Hand buhlen. Gewiss hatten sich eine Zeitlang so genannte Fundraiser durchgesetzt, die meinten, man brauche nur in die Masse hineinzurufen, rührende Bildergeschichten zu erzählen, dazu ein paar Promis einzuspannen, und schon liefen die Spendenkonten voll. Es gab Agenturen, die den Verantwortlichen in den Organisationen einredeten, sie sollten auch gegen Inkaufnahme von Anfangsverlusten möglichst viele Mailings aussenden und schöne Gimmicks beifügen. Es werde sich dann schon alles rentieren, wenn auch erst in drei, vier oder sieben Jahren. Nicht anders kalkulieren ja Firmen, wenn sie ein neues Produkt lancieren, und manche Berater und Mittler sind eher im kommerziellen als im ideellen Marketing bewandert.
 
Dieses Denken sollte sich auch ohne Weißbücher überholt haben. Wer sich nicht traut, nach dem Benefizkonzert mit einem großen Hut oder dem offenen Geigenkasten herumzugehen und persönlich Spenden einzusammeln, hat auch als Fundraiser im Großen nichts verloren. Die ersten Tausender sollte man persönlich gesammelt haben bei Leuten, die man für den guten Zweck begeistert hat. Und das am Besten schon in der Schule, bei den Pfadfindern, vor der großen Reise als Freiwilliger ins Entwicklungsprojekt im Eltern- und Bekanntenkreis. „People give to People“ bleibt eine der wichtigsten Erkenntnisse des Fundraisings: Es kommt eher darauf an, wer bei wem sammelt als wie und wofür gesammelt wird. Und wer dann gegeben hat, begeistert sich schon aus Eigeninteresse für die Mission, also die gute Sache selbst. Das liegt daran, dass man sein eigenes gutes Handeln nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor anderen rechtfertigen muss, die Uneigennützigkeit und Zweck anzweifeln, um genügend Ausredepotential für eigene Verweigerungshaltungen und Ignoranz zu haben.
 
Dass Spenden zurückgehen, ist nicht Schuld des Fundraisings. Wenn im Profitsektor ein Produkt am Markt floppt, liegt das selten am Marketing, sondern an der Produktqualität, am Image, der Nachfrage und der Konkurrenz. Wer glaubt, Fundraising könne die Haltung von Menschen zu guten Werken insgesamt beeinflussen, überhöht seine Bedeutung. Fundraising kann in Maßen umverteilen und Entwicklungen verlangsamen oder beschleunigen. Aber dass viele Menschen nicht mehr an die Nachhaltigkeit so genannter Entwicklungshilfe glauben, dass immer mehr Menschen, besonders ältere, angesichts einstürzender Finanzmärkte und ungeheurer staatlicher Risiken um ihre eigene finanzielle Zukunft bangen, dass selbst scheinbar florierende Firmen instabil werden, dass die kirchliche Bindung, die auch an Weihnachten volle Spendentöpfe bescherte, dramatisch nachlässt, dass staatliche Stellen vor allem im Bereich der freiwilligen Leistungen sparen, das alles trägt nicht zur Steigerung von Spendenfreudigkeit bei. Die Weißbuch-Autoren haben richtig erkannt, dass regionales Fundraising Zukunft hat, weil die Menschen dann direkt nachfragen können, was mit ihren guten Gaben geschieht und ihre Spenden notfalls bis ins Ziel begleiten können, ganz gleich ob das in Malindi oder in den Räumen der Tafel gleich nebenan liegt.
 
 
Zum Autor: Dr. Christoph Müllerleile ist freier Fachautor für Fundraising und Philanthropie. Der Kommentar stellt seine persönliche Meinung dar. Kontakt: muellerleile@fundraising-buero.de

 
 

* Kai Fischer, Kai Kulschewski und Jürgen Stöcker: Weißbuch Mission-Based Fundraising. PDF-Manuskript, Hamburg 2012. http://is.gd/QHU5ao
 
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